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Zunehmende Krisensituationen von Bauernfamilien haben zur Folge, dass Beratungsstellen vermehrt mit psychosozialen Fragestellungen konfrontiert werden. Es stellt sich die Frage, inwiefern sie in der Lage sind, diese zu identifizieren, die schwierige Situation adäquat anzusprechen, die Problematik selbst zu bearbeiten oder den Ratsuchenden angepasste Unterstützungsangebote weiterzuvermitteln.
 

Die Fragestellung wurde mittels einer schweizweiten Befragung der Leitungspersonen von kantonalen Beratungsstellen (23 Personen aus 22 Kantonen) und mit einer Analyse von drei spezifischen Programmen der Pilotkantone Bern («Coaching»), Freiburg («Cellule AED») und Waadt («Sentinelle Vaud – Promotion de la Vie») bearbeitet. Diese Programme wurden von den Pilotkantonen entwickelt, um Ratsuchende bei psychosozialen Fragestellungen zu unterstützen. Die Untersuchung wurde mittels Interviews mit den Programmleitenden, Beratungspersonen und Ratsuchenden durchgeführt.

Die Befragung der Leitungspersonen mit einem semistrukturierten Fragebogen zeigt, dass kantonale Beratungsstellen bei der Klärung der Problemlagen auch psychosoziale oder gesundheitliche Anliegen aufdecken, die bei der Anmeldung nicht erwähnt wurden.
 

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Häufigkeit, mit welcher Überlastungs- und Überforderungssituationen bei Ratsuchenden beobachtet werden (N=23)
Keine Mehrfachnennungen pro Institution und Kategorie
Quelle: HAFL


Die Früherkennung von psychosozialen Symptomen bei den Ratsuchenden wird von den Leitungspersonen als sehr grosse Herausforderung identifiziert. Während grössere kantonale Beratungsstellen Ratsuchende mit dieser Problematik mit spezifischen Angeboten unterstützen können, fehlen insbesondere in kleineren Beratungsstellen die personellen Ressourcen weitgehend. So geben 12 von 22 Beratungsstellen an, dass mehr Beratungspersonen fähig sein sollten, psychosoziale Probleme zu erkennen.
 

Vorgehen und Bedarf der Beratungsstellen

Das für die Prävention und Begleitung notwendige Netzwerk von Fachpersonen ist laut den Befragten in sieben Beratungsstellen aufgebaut, bei 15 besteht ein zusätzlicher Bedarf.
 

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Vorgehen und Bedarf der kantonalen Beratungsstellen sowie Nutzung von Weiterbildung und Plattform von AGRIDEA (N=23)
Quelle: HAFL


Bei mehr als der Hälfte der Beratungsstellen wird zusätzliches Informationsmaterial zur Früherkennung und Prävention für Beratungspersonen und Ratsuchende benötigt. Die befragten Beratungsleitenden wünschen sich eine Intensivierung des Austausches mit anderen Fachstellen innerhalb eines Kantons und zwischen landwirtschaftlichen Beratungsstellen verschiedener Kantone.

Laut den Befragten werden die Angebote von den Ratsuchenden (zu) spät genutzt. Die Hemmschwelle scheint insbesondere für Männer hoch zu sein. Die fehlende Anonymität in kleineren Kantonen ist problematisch.

Die exemplarische Untersuchung der drei Pilotkantone zeigt Möglichkeiten auf, wie die landwirtschaftliche Beratung in der Schweiz gestärkt werden kann. Die Ratsuchenden schätzen die Niederschwelligkeit und rasche Verfügbarkeit des Angebots, das Vertrauensverhältnis zur Beratungsperson und deren grosse Fachkompetenz. Die Beratungspersonen verfügen über das entsprechende Wissen sowie Informationsmaterial und kennen die entsprechenden Werkzeuge. Alle haben Erfahrung im Berufsfeld Landwirtschaft und Zusatzausbildungen absolviert. Den drei Programmen gemeinsam ist die breite Vernetzung mit externen Personen, Organisationen und Behörden. Die Programme werden von den Kantonen unterstützt und teilweise finanziert. Die Angebote sind dank der guten Kommunikation bekannt und die Nutzung nimmt zu.

Die Ergebnisse zeigen den Bedarf der kantonalen Beratungsstellen nach Informationsmaterial, Vernetzung, fachlichem Austausch und interkantonaler Zusammenarbeit auf. Die Untersuchung der Pilotkantone belegt, wie eine systemische Beratung von Bauernfamilien mit psychosozialen Problemen gelingen kann.

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