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Die Digitalisierung ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die auch auf die Landwirtschaft zukommt. Eine Befragung von Agroscope zeigt: Digitale Technologien werden bereits genutzt, mit unterschiedlichem Einfluss auf das Stresserleben.

Teilweise werden digitale Technologien wie der Melkroboter schon genutzt. Es gibt jedoch auch viel Skepsis: Der Beruf Landwirt/in wandelt sich, neue Kompetenzen sind nötig, was Unsicherheiten aufwirft. Klar ist: Der Umgang mit digitaler Technik wird mehr und mehr fester Bestandteil der täglichen Arbeit. Immer wieder ist nun die Rede davon, dass dies den Stress der Landwirtinnen und Landwirte erhöht. Ist dem auch so?

Unter dem Begriff «digitale Technologien» werden hier Hardware, Software, mobile Apps, Sensortechnologien und Big-Data-Anwendungen verstanden, z. B. der Einsatz von Informations-Kommunikationstechnologien für betriebliche Entscheide / Management, elektronische Messsysteme, der Einsatz von Robotern sowie die Automatisierung von Arbeitsprozessen.

Erfassungen in der Tierverkehrsdatenbank und in kantonalen Systemen für die Direktzahlungen wurden nicht berücksichtigt. Und über Lohnunternehmer genutzte digitale Technologien waren auch nicht Teil dieser Befragung.

Befragung zu Digitalisierung und Stresserleben

Die Ergebnisse einer Befragung durch Agroscope zeigen den Grad der Adaption (Anpassung) digitaler Technologien durch Betriebsleiterinnen und -leiter und ihrem Stresserleben.

Um das Stresserleben in unserer Studie zu messen, haben wir einen standardisierten Burnout-Fragebogen, das Copenhagen Burnout Inventory (CBI, Nübling, Vomstein, Haug, & Lincke, 2013) genutzt. Dabei haben die Teilnehmenden anhand von 6 Einzelelementen das Auftreten verschiedener Erschöpfungsaspekte auf einer 5-stufigen Skala (von 1=nie bis 5=immer) bewertet. Anschliessend wurden diese Angaben zu einem Burnout-Messwert verrechnet und entsprechend der Vorgaben des Messinstruments standardisiert: von 0 (kein Burnout) bis 100 (sehr starkes Burnout).

Dieses Messinstrument gibt uns eine Tendenz an, wie stark jemand gestresst ist; es lassen sich also Burnout-Tendenzen erkennen. Ohne offizielle medizinische Diagnose sprechen wir jedoch nicht davon, dass die Teilnehmenden an Burnout erkrankt sind, daher nutzen wir in diesem Artikel den Begriff «Stresserleben».

Wie häufig wird Stress erlebt?

Wir sehen, dass etwa 6 Prozent der befragten Betriebsleiterinnen und -leiter «immer» und «oft» Stress erleben, während ein Drittel (34 %) «manchmal» unter Stress leidet.
 

Häufigkeit des Stresserlebens von Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern

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Unbekannt (1)Wahrnehmungs-
phase (2)
Interessen-phase (3)Bewertungs-phase (4)Versuchs-
phase (5)
Übernahme-phase (6)
Sie haben noch nie von dieser Technologie gehört.Sie kennen noch keine Details und haben noch nicht das Bedürfnis nach genaueren Informationen.Sie haben begonnen, sich für die Anwendung / Technologie zu interessieren und bemühen sich um Informationen.Sie bewerten schon die Vor- und Nachteile der Anwendung / Technologie und haben als Ergebnis vor, sie zu übernehmen oder wegzulassen.Um eigene Anwendungserfahrung zu bekommen, nutzen sie die Anwendung / Technologie versuchsweise und suchen zusätzlich neue Informationen zu dieser Anwendung.Sie nutzen die Anwendung / Technologie dauerhaft auf ihrem Betrieb.

Quelle: Auf Basis von Weersink and Fulton (2020)

Phase der Adaption nach Betriebstyp

Die befragten Landwirtinnen und Landwirte schätzten selbst ein, in welcher Phase der Adaption digitaler Technologien sich ihr Betrieb befindet. Es zeigte sich: 17,5 Prozent nutzen eine digitale Technologie versuchsweise und 12,7 Prozent haben sie bereits in ihren Betriebsablauf integriert, d. h. übernommen. Diese Werte unterscheiden sich je nach Betriebstyp. Der grösste Anteil an Betrieben in der Übernahmephase ist beim Betriebstyp «Gemüse- und Gartenbau» zu finden, gefolgt von «Kombiniert Veredlung». Etwa die Hälfte aller Betriebe befindet sich in der Bewertungs- bis Übernahmephase und beschäftigt sich folglich bereits mit den neuen Technologien.
 

Phase der Adaption (Anpassung) digitaler Technologien nach Betriebstyp

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Stresserleben – nach Phase der Adaption

Über alle Betriebe hinweg zeigt sich, dass das Stresserleben mit zunehmendem Grad der Adaption digitaler Technologien kleiner wird, es jedoch in der Versuchsphase zu einer Verstärkung kommt. Anders gesagt: Betriebsleitende, die angegeben hatten, die digitalen Technologien nicht zu kennen oder sie erst wahrzunehmen, zeigen ein eher höheres Stresserleben, wenn sie zur Digitalisierung befragt werden, als jene, die sich schon damit beschäftigen oder sie übernehmen und nutzen. Ausgenommen davon ist die Versuchsphase, in der es vorübergehend zu einem höheren Stresserleben kommt. Die Betriebstypen «Kombiniert Mutterkuhbetriebe» und «Ackerbaubetriebe» weisen hingegen ein anderes Bild auf: Sie haben ein eher stärkeres Stresserleben in der Übernahmephase – dies könnte auf fehlende zusätzliche zeitliche Kapazitäten hinweisen.
 

Stresserleben von Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern nach Betriebstyp und Adaptionsphase

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Fazit: Das Stresserleben hängt auch von der Adaptionsphase ab

Was sind nun die Empfehlungen? Eine engmaschige Begleitung in der Versuchsphase ist angezeigt. Und es ist vorteilhaft, Zeitfenster zu schaffen, um sich immer wieder mit der Digitalisierung zu beschäftigen und vertraut zu machen. Betriebe in der Übernahmephase zeigen ein niedrigeres Stresserleben als jene ohne Nutzung. Ob sich das Stresserleben allein durch die Nutzung digitaler Technologien reduzieren kann und welche anderen Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen, wird in weiteren Studien analysiert.
 

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